"Sahnehäubchen auf dem Kuchen"

Interview von François Bausch im RailBusiness

Interview: RailBusiness

RailBusiness: Warum hat sich Luxemburg entschlossen, den öffentlichen Personenverkehr kostenlos anzubieten?

François Bausch: Es handelt sich um das Sahnehäubchen auf dem Kuchen einer umfassenden Verkehrsstrategie. Bis zur Umsetzung des kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs (und darüber hinaus) sollen weitere Investitionen in das Bahn- und Busnetz getätigt werden. Ich sehe das Projekt vor allem als doppelte soziale Maßnahme, die einerseits für Geringverdiener ein Plus im Geldbeutel bedeutet und andererseits, da durch Steuergelder finanziert, breite Schultern stärker belastet als schmale. Des Weiteren wird das generelle Image des öffentlichen Nahverkehrs — auch international — dadurch erheblich verbessert.

RailBusiness: Mit welcher Zunahme der Fahrgastzahlen rechnen Sie?

François Bausch: Ich rechne nicht mit einer großen Zunahme. Ich bin der Meinung, dass man ein Umsteigen vom eigenen Wagen auf die öffentlichen Verkehrsmittel nur durch einen reibungslos funktionierenden, ineinandergreifenden und qualitativ hochwertigen ÖPNV erreicht. Der Preis spielt erwiesenermaßen eine untergeordnete Rolle. Die Schweiz ist dafür das perfekte Beispiel.

RailBusiness: Wie viel weniger Privatautos und welche CO 2 -Reduktion erwarten Sie?

François Bausch: Eine Verbesserung genau dieser Parameter erreichen wir nur durch ein multimodales Verkehrskonzept. Nach der Planungsphase sind jetzt die meisten Projekte dieses Konzepts in der Umsetzung: der konsequente Kapazitätsausbau des nationalen Schienennetzes, eine Verdopplung der aktuellen P+R Parkplätze - vornehmlich an den Grenzen, damit die 200000 Pendler, die täglich nach Luxemburg kommen, komfortabel umsteigen können -, Fahrgastinformation in Echtzeit, eine komplette Umstellung der nationalen Busflotte auf Elektro bis 2030, der Ausbau der elektrischen Ladestationen für PKW landesweit auf 1600 Einheiten bis 2021, ein zusammenhängendes Radroutennetz, die komplette Neugestaltung des nationalen Busliniennetzes, der weitere Ausbau der regionalen Straßenbahn... all dies sind Projekte, die weit fortgeschritten sind und somit die Zutaten des multimodalen Kuchens bilden.

RailBusiness: Wie viel Mehrausgaben für ÖPV entstehen durch den Einnahme-Wegfall?

François Bausch: Aktuell betragen die Einnahmen des ÖPV durch Ticketverkauf in Luxemburg jährlich 41 Mio. EUR. Diese werden also von 2020 an wegfallen. In Anbetracht der Summen, die in andere Bereiche, z.B. Infrastrukturen, investiert werden, ist dieser Betrag eher geringfügig. Zum Vergleich: Der Staat investiert zwischen 2018 und 2023 etwa 2,2 Mrd. EUR in den öffentlichen Transport, so viel wie kein anderes Land in Europa. Die Luxemburger Eisenbahngesellschaft CFL hat vor Kurzem den Zuschlag für den Kauf von Rollmaterial in Höhe von rund 400 Mio. EUR gegeben. Luxemburg ist mittlerweile Spitzenreiter im internationalen Vergleich mit einer Pro-Kopf-Investition von 600 EUR/Kopf und Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 64 EUR.

RailBusiness: Nicht nur Privatautos, auch LKW sind klimapolitisch ein Problem. Welche Maßnahmen planen Sie für den Güterverkehr?

François Bausch: Schon in der vergangenen Legislaturperiode wurde ein hochmoderner Umladebahnhof mit einer Kapazität von 300000 Containern und 300000 Sattelzügen pro Jahr im Süden des Landes fertiggestellt. Das Prinzip ist, auf größeren Strecken, beispielsweise nach Südeuropa, möglichst viele Lasterladungen von der Straße auf die Schiene zu befördern.

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