Interview von François Bausch im Tageblatt

"Wir brauchen sie, und sie brauchen uns"

Interview: tageblatt (Armand Back)

Tageblatt: Die Luxemburger Regierung hat heute in Paris mit der französischen Regierung vereinbart, 120 Millionen Euro in die Verkehrsinfrastruktur in Lothringen zu investieren. In welche Projekte soll das Geld fließen? 

Francois Bausch: Wir investieren in den Ausbau des Bettemburger Bahnhofs. Wenn wir aber Autos von der Straße weg und die Menschen in die Züge hinein bekommen wollen, müssen wir auch das Teilstück hinter der Grenze modernisieren — also von Düdelingen bis nach Thionville. Und genau daran werden wir uns beteiligen. Wir wollen dort irgendwann ein drittes Bahngleis haben, auf dem nur Güterzüge fahren. Das soll dabei helfen, die Tausenden Berufspendler, die tagtäglich mit dem Auto durch unsere Dörfer und Ortschaften fahren, auf die Schiene zu bekommen. Das Hauptziel ist, die Lebensqualität in Luxemburg zu erhöhen. Aus dem Grund fließen 90 Prozent des Geldes an Lothringen in die Eisenbahninfrastruktur. 

Tageblatt: Investiert Frankreich dieselbe Summe? 

Francois Bausch: Ja, Frankreich investiert ebenfalls 110 Millionen Euro in diesen Bereich. Wir wollen gemeinsam die Strecke von Thionville bis zum Luxemburger Hauptbahnhof den heutigen und künftigen Bedürfnissen anpassen. Wir wollen die Zugkapazität um den Faktor 2,5 erhöhen. Für unser Straßennetz wird das sicherlich sehr positive Auswirkungen haben. 

Tageblatt: Ab wann sollen diese positiven Auswirkungen spürbar sein? 

Francois Bausch: Die Fortschritte kommen in Phasen. Im Jahr 2020 wird im Bahnhof Luxemburg der fünfte Bahnsteig eröffnet, das ist der erste Schritt. Ab dann können am Hauptbahnhof mehr Züge einfahren — nicht nur aus Thionville, sondern beispielsweise auch aus Esch. Danach geht es schrittweise weiter: 2023 oder 2024 wird die Erweiterung der Bettemburger Strecke abgeschlossen sein, allein das macht eine Kapazitätssteigerung um 70 Prozent möglich. Bis 2028 soll das gesamte Projekt bis nach Thionville abgeschlossen sein. 

Tageblatt: Was passiert mit den restlichen zehn Millionen, die Luxemburg in die Infrastruktur in Lothringen investieren will? 

Francois Bausch: Dieses Geld wird in P&R-Parkplätze investiert. In Luxemburg sagte man mir in der Vergangenheit oft — und das völlig zu Recht —, dass wir diese doch besser an der Grenze oder hinter der Grenze bauen sollten. Und genau das machen wir jetzt. Drei oder vier der P&R-Parkplätze werden in der Nähe von Bahnhöfen entstehen. Hinzu kommen einige an der Autobahn A31 in Frankreich, um Fahrgemeinschaften zu fördern. Heutzutage sitzen in einem Auto durchschnittlich nur 1,1 Personen. Diesen Schnitt müssen wir erhöhen. Das wird Tausende von Autos von der Straße holen. 

Tageblatt: Kaum jemand nutzt Mitfahrgelegenheiten. Wie soll sich das ändern? 

Francois Bausch: Am 10. April werden wir eine neue App veröffentlichen — für Luxemburger und Grenzgänger. Sie ist so ausgerichtet, dass sie grenzüberschreitend funktioniert. Ein bisschen wird das wie bei dem Taxidienst Über aussehen, bei dem die Nutzer geolokalisiert werden. Hinzu kommt ein kleines Belohnungssystem. Das wurde gemeinsam mit interessierten Unternehmen ausgehandelt. So kann zum Beispiel jemand, der zwei oder drei andere Personen in seinem Wagen mitbringt, umsonst einen Parkplatz im oder beim Unternehmen bekommen. 

Tageblatt: Wollten die Franzosen mehr? Gab es Vorstellungen, denen die Luxemburger Regierung nicht Rechnung getragen hat? 

Francois Bausch: Ja. Wir haben etwa abgelehnt, uns am Ausbau der A31 oder einer anderen Autobahn zu beteiligen. Auch dass wir einfach Geld nach Frankreich überweisen, ohne dass wir ein Mitspracherecht hätten, was damit passiert, haben wir von Anfang an abgelehnt. Wir brauchen sie, und sie brauchen uns. Also wollen wir im Sinne einer guten Zusammenarbeit die Infrastruktur in der Region mitfinanzieren. Mit dem TGV lief das ja ähnlich. Wenn Luxemburg die Strecke nicht in Frankreich mitfinanziert hätte, würde kein TGV bis zum Hauptbahnhof fahren. Der Erfolg des TGV ist heute sichtbar. So soll sich auch das neue Projekt auswirken. Nicht infrage kommt, dass wir einen Scheck nach Paris schicken, bei dem wir nicht einmal wissen, ob auch nur ein Cent weiter nach Lothringen fließen würde. 

Tageblatt: Mit Cattenom sind Sie nicht vorangekommen. Weshalb? 

Francois Bausch: Das ist ein schwieriges Dossier. Ich will aber daran erinnern, dass diese Regierung die erste ist, die das Thema überhaupt angegangen ist. Eine gewisse Anzahl an Atomkraftwerken in Frankreich soll ja geschlossen werden. Da Cattenom aber eher zu den jüngeren gehört, tun sich die Franzosen dabei wohl besonders schwer. Trotzdem bin ich überzeugt, dass auch hier noch Bewegung reinkommen wird — ganz einfach, weil ich denke, dass Atomkraft als solche keine Zukunft haben wird. Dafür sind die erneuerbaren Energien einfach zu effizient. Da Deutschland als großes europäisches Land in eine völlig andere Richtung zielt, wird hier noch genug Druck entstehen. 

(Das Interview wurde während der Staatsvisite in Paris gemeinsam mit den Kollegen von 100,7, RTL, Paperjam, Wort, Journal, Le Quotidien und Le Jeudi geführt. . . . )

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