"Kauft keinen Diesel"

Interview von François Bausch im Tageblatt

Interview: Tageblatt (Pol Schock)

Tageblatt: Herr Bausch, der Dieselskandal ist mittlerweile mehr als drei Jahre alt. Kann es sein, dass Luxemburg nicht besonders viel dagegen unternommen hat? 

François Bausch: Das sehe ich anders. Luxemburg gehört in Europa zu den Vorreitern bei der Bekämpfung der Dieselproblematik. Wir setzten uns seit längerem für strengere Regeln ein und waren damit auch erfolgreich. 

Tageblatt: Beim Dieselskandal liegt das Problem jedoch darin, dass die Konzerne die Regeln durch gezieltes und systematisches Betrügen umgehen konnten. 

François Bausch: Ja, das stimmt. 

Tageblatt: In den Vereinigten Staaten sind die Konzerne für diese Betrugsfälle haftbar gemacht worden und mussten Milliarden Euro zahlen. Luxemburg hat allerdings lediglich Klage gegen unbekannt eingereicht. Warum so zaghaft? 

François Bausch: In den Vereinigten Staaten haben vor allem Privatpersonen geklagt - mittels Sammelklagen. 
Das ist so in der EU bzw. in Luxemburg noch nicht möglich. Als Staat können wir hingegen nur klagen, wenn eindeutige Beweise vorliegen, dass die nationalen Zulassungsstellen betrogen wurden. 

Tageblatt: Aber diese Beweise liegen doch längst vor. Der VW-Konzern hat massenweise Abschalteinrichtungen in die Autos eingebaut, um die Abgaswerte zu manipulieren. 

François Bausch: Bei einigen Fällen wie etwa bei der VW-Marke Audi haben wir auch mittlerweile Sicherheit. Wir haben eine Klage gegen unbekannt eingereicht, weil die Anwälte dem Staat dazu geraten haben. Es ist juristisch gesehen die effizienteste Art und Weise, um nicht am Ziel vorbeizuschießen, sondern tatsächlich gegen die Schuldigen vorzugehen. 

Tageblatt: Das klingt aber eher, als würde die Klage langsam versickern ... 

François Bausch: Nein, keinesfalls. Das Verfahren läuft. Wir haben übrigens beschlossen, Klage in Luxemburg einzureichen, doch es ist gut möglich, dass wir zusätzlich noch eine Klage in Deutschland nachreichen. 

Tageblatt: Sie haben damals auch ein Audit bei den technischen Kontrollinstanzen veranlasst. 

François Bausch: Ja. Denn ich wollte sicherstellen, dass nicht möglicherweise die SNCH bei den Betrugsfällen ein Auge zugedrückt hatte. Das war jedoch definitiv nicht so. Allerdings kam bei diesem Audit heraus, dass es doch einige Schwachstellen bei der Kontrollstation gibt. 

Tageblatt: Es war also leicht, den Staat hinters Licht zu führen? 

François Bausch: Sagen wir es so: Die Art und Weise, wie kontrolliert wurde, ist ausbaufähig. 

Tageblatt: Mittlerweile müssen die Abgaskontrollen unter realen Bedingungen vorgenommen werden. 

François Bausch: Große Autoproduzenten wie Deutschland, Frankreich oder Spanien haben diese Regelung lange blockiert oder auf lange Übergangszeiten gedrängt. Es war jedoch Luxemburg, das gemeinsam mit den Niederlanden darauf gepocht hat, die EU-Richtlinie zügig umzusetzen. 

Tageblatt: Dennoch fahren immer noch alte Diesel-Modelle durchs Land, deren Abgaswerte weit über der Norm liegen. Nehmen Sie das in Kauf? 

François Bausch: Bis jetzt haben die betroffenen Automobilhersteller lediglich ein Software-Update unternommen. 
Aber diese Software-Updates sind völliger Mumpitz. Die Autokonzerne wollten offenbar die Leute für dumm verkaufen. 
Wir müssen deshalb weiter Druck auf die Konzerne ausüben. Und ich sage ganz klar: Wir brauchen Hardware-Nachrüstungen. 

Tageblatt: Als die deutsche Regierung im September vorschlug, einen Teil der Hardware-Nachrüstung staatlich gegenzufinanzieren, haben Sie sich jedoch öffentlich dagegengestemmt. 

François Bausch: Ja. Denn wir müssen die Konzerne zur Verantwortung ziehen und nicht die Steuerzahler. Die Konzerne müssen für ihr Vergehen und damit auch für die Nachrüstungen zahlen, und nicht die Gemeinschaft. Und diese Forderung können wir nur über die Europäische Union erzwingen. 

Tageblatt: Warum kann Luxemburg das Problem nicht alleine angehen? 

François Bausch: Weil es eine Sache des europäischen Binnenmarktes ist. Eigentlich war im Dezember auch ein großer EU-Dieselgipfel geplant gewesen. Aber der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer hat diesen kurzfristig abgesagt. 

Tageblatt: Machen Sie es sich hier nicht etwas zu leicht? Müssten Sie nicht etwa auch die Steuern für die alten Diesel anheben? 

François Bausch: Aber dann würden wir ja die Konsumenten bestrafen, die ein Auto gekauft haben, im Glauben, dass sie alle Normen einhalten. 

Ich will die Konsumenten aber nicht rückwirkend zur Kasse bitten. 

Tageblatt: Die Dieseltechnologie gilt dennoch als angezählt. Was raten Sie dem Konsumenten von heute eigentlich? 

François Bausch: Wir leben in einem freien Land: Jeder soll die Wahl haben. Aber wenn man mich fragt, dann sage ich: Kauft keinen Diesel. Denn es ist längst bekannt, dass der Diesel nicht klimafreundlicher ist als der Benziner. Er stößt nicht weniger CO2 aus, wie lange fälschlicherweise behauptet. Doch auch ökonomisch steht der Verbrennungsmotor auf dem Abstellgleis: China und Indien sind gerade dabei, die großen Automobilproduzenten technologisch mit Elektroautos zu überholen. 

Tageblatt: Müsste die Politik denn nicht mehr Anreize schaffen, um sich vom Verbrennungsmotor zu lösen? Etwa durch unpopuläre Maßnahmen wie Dieselverbote oder auch den Ausstieg aus dem Tanktourismus? 

François Bausch: Ich sehe das anders. Wir müssen zunächst Alternativen aufbauen. Ich bin der Überzeugung, dass die Bürger auf das Auto verzichten, wenn es ein besseres öffentliches Angebot und eine bessere Infrastruktur gibt. Ich kann nicht mit dem Stock kommen, wenn ich keine Möhre habe. 

Tageblatt: Aber ist es denn nicht genau diese zurückhaltende Politik, die seit Jahren den Status quo in der Mobilitätspolitik erhält? 

François Bausch: Das stimmt nicht. Oslo, Amsterdam oder Kopenhagen sind gute Gegenbeispiele. Dort sind die Gelder clever in alternative Infrastrukturen investiert worden, sodass sich die Bürger langsam vom Verbrennungsmotor lösen. Und ich glaube auch nicht an das Gerede, dass die Luxemburger nie auf ihr Auto verzichten wollen. Dabei ist das Ziel auch nicht, das Auto zu verbieten, sondern die Luft sauber zu bekommen. 

Tageblatt: Nun wird erst einmal der öffentliche Transport gratis angeboten. Eine Maßnahme. gegen die Sie immer argumentiert haben. 

François Bausch: Dazu stehe ich auch noch heute. Aber es ist als soziale Maßnahme gedacht. Und ich war nur unter der Bedingung einverstanden, dass wir weiterhin hohe Summen in die Infrastruktur investieren. 

Tageblatt: Wie setzen Sie das nun um - gibt es etwa immer noch eine erste oder zweite Klasse?

François Bausch: Die Tendenz geht dahin, dass wir die erste Klasse beibehalten - natürlich gegen Bezahlung. Aber die Entscheidung ist noch nicht gefallen. 

Tageblatt: Und was soll das Ganze kosten? Bis jetzt kursieren unterschiedliche Zahlen. 

François Bausch: Wir gehen von 41 Millionen Euro aus. Aber wir werden Ende Januar das gesamte Projekt vorstellen. 

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