"Eine Standortfrage", Claude Wiseler au sujet du concept de "la mobilité durable"

Luxemburger Wort: Welche Philosophie liegt dem Konzept der "mobilité durable" zugrunde?

Claude Wiseler: Hauptziel der "mobilité durable" ist es, eine Kette zu schaffen, die sich aus sämtlichen Mobilitätsgliedern zusammensetzt. Dem Konzept der nachhaltigen Mobilität liegt der integrative Gedanke zugrunde: Ein für allemal sämtliche Mobilitätsteile aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass sie ineinandergreifen. Mit der "mobilité durable" verfügen wir nun über ein kohärentes Konzept und ein mit der räumlichen Entwicklung abgestimmtes präzises Planungsinstrument.

Luxemburger Wort: Wo siedelt sich in diesem Konzept der sektorielle Leitplan Transport an, in dem 49 prioritäre Schienen- und Straßenbauprojekte definiert worden sind?

Claude Wiseler: Der "plan sectoriel transports", der einmal via großherzogliche Verordnung eine gesetzliche Grundlage erhalten wird, definiert die Elemente der "mobilité durable", deren Absicherung und Umsetzung eine reglementarische Basis benötigen. Im Leitplan werden so z. B. Trassen für Auto und Bahn festgehalten und Korridore ausgewiesen, so dass wir über eine räumliche und zeitliche Absicherung verfügen. Auch wird darin das Rahmenregelwerk für das Parkraummanagement festgelegt.

Luxemburger Wort: Wie wird der Weg vom Konzept zur konkreten Umsetzung aussehen?

Claude Wiseler: Dank "mobilité durable" können wir nun Entscheidungen auf der Grundlage unserer Mobilitätsprobleme treffen. Die zwei großen Probleme sind einerseits der morgendliche und abendliche Werktagsverkehr und andererseits das Verkehrsaufkommen auf den großen Grenzachsen, das teils durch die werktäglichen Pendler bedingt ist.

Luxemburger Wort: Und wie können diese Probleme gelöst werden?

Claude Wiseler: Wir wollen die Hebel in zwei Bereichen ansetzen. Zum einen wollen wir das Fassungsvermögen der Verkehrsadern in die Großregion ausbauen. Zum anderen wollen wir die Effizienz und Qualität der Schnittstellen zwischen einzelnen Verkehrsträgern verbessern. Solche Schnittpunkte sind die P&R-Gelände und die "gares intermodales". Ein Beispiel: Heute gibt es auf dem Gebiet der Hauptstadt einen großen Bahnhof mit Anschluss an andere Verkehrsträger. Setzen wir die "mobilité durable" um, werden wir weitere leistungsfähige Umsteigebahnhöfe in Howald-Ban de Gasperich, in Pfaffenthal-Kirchberg, in Höhe der Roten Brücke, und in Hollerich-Geesseknäppchen schaffen.

Luxemburger Wort: Wo wollen Sie zusätzliche P&R-Schnittstellen schaffen?

Claude Wiseler: Aufgrund der Problemstellung müssen erste Auffangstrukturen an den Grenzen entstehen, diesseits wie jenseits. Ein weiterer Radius muss rund um die Hauptstadt, das werktägliche Ballungsgebiet, gezogen werden; hier können beispielsweise P&R-Flächen an der Nordstrecke eingerichtet werden. Auf dem Gebiet der Hauptstadt selbst sollen auf Höhenhof an der Autobahn Al und, in kleinerem Ausmaß, bei der LuxExpo auf Kirchberg sowie eingangs des Ban de Gasperich drei neue Areale entstehen.

Luxemburger Wort: Wie kann in der Hauptstadt dafür gesorgt werden, dass sie nicht vollends im Verkehr erstickt?

Claude Wiseler: Nun, eine große Herausforderung stellt der Durchgangsverkehr dar, den wir durch den Bau zusätzlicher Umgehungstrassen wie den Boulevard de Cessange oder den Boulevard de Merl zurückfahren wollen. Dann bleibt die Tram die einzige Antwort auf die Frage der Menge an Menschen, die täglich befördert werden müssen. Sie sorgt außerdem mit ihrer Vielzahl an Haltestellen für eine angemessene Feinverteilung. Schließlich müssen wir, zusätzlich zu den bereits erwähnten Schnittstellen, die neun Einfahrten in die Hauptstadt so gestalten, dass die Busse dort Vorrang erhalten. Das bedeutet, dass dem öffentlichen Transport zusätzlicher Straßenraum vorbehalten sein wird.

Luxemburger Wort: Eine der großen Herausforderungen in Luxemburg ruht bekanntermassen darin, bauliche Vorhaben vom Papier in die Praxis zu bringen. Welchen zeitlichen Rahmen geben Sie sich, um dfe nachhaltige Mobilität mit Leben zu erfüllen?

Claude Wiseler: Auf eine Zeitschiene will ich mich nicht festlegen. Wenn ich aber bis weiß, welche Antworten wir in der Mobilitätsfrage geben wollen, wenn sich das Konzept als praxistauglich und konsensfähig erweist, dann ist die Umsetzung nur noch eine Frage der Zeit. Wie rasch die "mobilité durable" letztlich mit Leben erfüllt wird, hängt zum einen von den Prozeduren ab, zum anderen von den Finanzen.

Luxemburger Wort: Ihr Regierungskollege, Finanzminister Luc Frieden, wird die "mobilité durable" aufgrund der budgetären Belastung mit kritischen Augen begleiten. Kann die Finanzierbarkeit gerade in wirtschaftlich eher ungewissen Zeiten gewährleistet werden?

Claude Wiseler: Ich will daran erinnern, dass die Lösung der Frage der Mobilität zu den Prioritäten der Regierung gehört. Wir müssen uns bewusst sein, dass es sich hierbei auch um eine Standortfrage handelt. Wie wettbewerbsfbhig Luxemburg im Vergleich mit dem Ausland ist und wie attraktiv das Land für ausländische Firmen und Investoren ist, hängt auch davon ab, wie effizient wir die Mobilitätsflüsse organisieren.

Luxemburger Wort: Wie kann bei jenen Verkehrsteilnehmern, die sich vorzugsweise mit dem Auto von A nach B fortbewegen, der Mentalitätswandel hin zum öffentlichen Transport gelingen?

Claude Wiseler: Ganz einfach: Indem sie der Entwicklung des Landes Rechnung tragen. Die werktäglichen Verkehrsströme lassen eine alleinige Organisation der Mobilität durch das Automobil nicht mehr zu. Natürlich bleibt der Individualverkehr ein wesentliches Glied der Verkehrskette und wir werden wohl oder übel nicht umhinkommen, Autobahnteile dreispurig zu erweitern. Um den Mentalitätswandel hin zum öffentlichen Transport zu erreichen, müssen wir eine Reihe von Vorleistungen erbringen, die die Attraktivität und Effizienz von Bus und Bahn steigert. Das reicht von der zeitgemäßen Gestaltung der Bahnhöfe, wie wir das z. B. in Ettelbrück tun wollen, über den Einsatz eines qualitativ und quantitativ leistungsstarken Fuhrparks bis hin zur Nutzung modernster Kommunikationsmittel wie die Telematik bei der Organisation und Abstimmung der Linien.

Luxemburger Wort: Wie wird die Großregion in das Konzept der nachhaltigen Mobilität eingebunden - praktisch wie finanziell?

Claude Wiseler: Praktisch wird ein sogenanntes "Smot", "schméma de mobilité transfrontalire", mit den Nachbarregionen darüber Aufschluss geben, welche Verkehrsbewegungen wann, wo und wie stattfinden. Daraufhin können wir dann die entsprechenden Maßnahmen treffen, beispielsweise die Einrichtung neuer P&R-Areale. Bei der dann anstehenden Frage der Finanzierung sind noch keine endgültigen Entscheidungen gefallen.

Luxemburger Wort: Es dürfte Ihnen aber nicht gefallen, wenn in den Nachbarstaaten Belgien und Deutschland Zugverbindungen gestrichen bzw. Investitionen in den Schienenverkehr ausgesetzt werden?

Claude Wiseler: Ich bin nicht froh über die jüngsten Beschlüsse. Auch wenn finanzielle Beweggründe angegeben werden, so sollte man die symbolische Wirkung solcher Entscheidungen nicht unterschätzen.

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