Interview mit François Bausch im Trierischer Volksfreund

"In Deutschland werden Projekte oft zerredet"

Interview: Trierischer Volksfreund (Bernd Wientjes)

Trierischer Volksfreund: Herr Bausch, seit drei Jahren ist der Nahverkehr in Luxemburg kostenfrei. Trotzdem sind die Autobahnen zu den Stoßzeiten verstopft. Werden die kostenfreien Busse und Bahnen doch nicht so gut angenommen, wie erwartet?

François Bausch: Nein, das ist nicht das Problem. Das Angebot im grenzüberschreitenden Nahverkehr ist nicht optimal. Ich habe immer gesagt, der Gratis-Nahverkehr in Luxemburg ist nicht das einzige Werkzeug, um mehr Leute in Busse und Bahnen zu bekommen. Viel wichtiger ist das Angebot. Da ist noch sehr viel Luft nach oben.

Trierischer Volksfreund: Vereinfacht gesagt: Luxemburg hat geliefert und auf deutscher Seite fehlt es an gutem Willen in Sachen grenzüberschreitendem Nahverkehr?

François Bausch: Ja. In Deutschland ist das größte Problem, dass sich zu sehr konzentriert wird auf die großen nationalen und internationalen Verbindungen. Wie man aber die Regionen miteinander und mit den großen Knotenpunkten verbindet, das wird vernachlässigt. Die Bundesländer alleine können das nicht stemmen. Das muss vom Bund aus gesteuert werden.

Trierischer Volksfreund: Sie sind also eher enttäuscht von der deutschen Verkehrspolitik?

François Bausch: Ich bin schon sehr enttäuscht. Auch was die Umsetzung des Deutschlandtaktes angeht, der weit nach hinten verschoben wurde. Das zeigt: Es wird in Deutschland nicht genügend in den Bahnverkehr investiert. Im Gegensatz zu Frankreich. Dort werden 100 Milliarden Euro in die Hand genommen, um den Zugverkehr in den Regionen zu verbessern. Lange Zeit wurden dort die gleichen Fehler gemacht, wie in Deutschland. Man hat sich zu sehr auf die Fernverkehrsverbindungen konzentriert, die Anbindung der Ballungszentren mit dem TGV.

Trierischer Volksfreund: Der Nahverkehr in Deutschland wird aus Ihrer Sicht also vernachlässigt?

François Bausch: Ja. Die Bahn ist seit Jahrzehnten chronisch unterfinanziert. Das war im Übrigen in Luxemburg nicht anders. Wir haben massiv in den Straßenbau investiert und die Schiene sehr stark vernachlässigt.

Trierischer Volksfreund: Und woher soll das Geld kommen, um mehr in den Bahnverkehr zu investieren?

François Bausch: Die Prioritäten müssen anders gesetzt werden. Wenn in Deutschland, wie gesagt, der Deutschlandtakt nach hinten verschoben wird und gleichzeitig überlegt wird, wie das Autobahnnetz ausgebaut werden soll, sieht man doch, wo das Problem liegt. Wir müssen überall in Europa in den nächsten Jahren massiv Mittel in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investieren. Das ist der Schlüssel zum Erfolg, um die Verkehrssituation zu verbessern.

Trierischer Volksfreund: Luxemburg lässt sich den Gratis-Nahverkehr jährlich 40 Millionen Euro kosten. Gleichzeitig werden 600 Millionen Euro in den Bau einer Tram in der Hauptstadt investiert. Das ist auch für Ihr Land viel Geld. Aus Ihrer Sicht gut angelegtes Geld?

François Bausch: Die Investitionen rechnen sich auf jeden Fall. Es sind ja nicht nur die genannten Projekte, in die Geld fließt. Wir investieren auch in den klassischen Bahnverkehr. Noch ist nicht alles toll. Aber wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Bis 2035 wollen wir ein komplett anderes Verkehrssystem haben.

Dazu zählt übrigens auch weiterhin das Auto. Es gehört zu der Mobilitätskette. Daher planen wir auch eine ganze Reihe von großen Park-and-Ride-Anlagen, um denjenigen, die auf das Auto angewiesen sind, zu ermöglichen, einen Teil der Strecke bequem mit dem Zug fahren zu können.

Trierischer Volksfreund: Luxemburg investiert und in Deutschland wird monatelang darüber gestritten, wie das 49-Euro-Ticket zu finanzieren ist. Können Sie das nachvollziehen?

François Bausch: Die ganze Diskussion ist sehr kontraproduktiv, um Menschen von der Bahn zu überzeugen. Deutschland braucht eine bessere, transparentere Tarifstruktur. Derzeit herrscht ja ein Tarif-Dschungel. Man muss die Investitionen in den öffentlichen Verkehr makroökonomisch betrachten. Der Ausbau des Nahverkehrs bringt mittelfristig Gewinn für die ganze Gesellschaft und auch für die Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes. Wenn wir die Mobilität in Europa nicht anders organisieren und neu denken, wird das zu Wettbewerbsnachteilen führen. Investitionen in den Nahverkehr sind kein verlorenes Geld.

Trierischer Volksfreund: Das wird aber in weiten Teilen Deutschlands anders gesehen. Die Ausweitung des Nahverkehrs wird zumeist nur als Kostenfaktor betrachtet. Mit der Folge, dass die Fahrkartenpreise Jahr für Jahr steigen. Was läuft da aus Ihrer Sicht falsch?

François Bausch: Es wird eben nur der Kostenfaktor gesehen, nicht aber, was der öffentliche Verkehr einbringt. Wenn man so bei den Straßen vorgehen würde, dass also der einzelne Bürger so hohe Steuern zahlen müsste, damit der Straßenbau kostendeckend wäre, dann könnte sich keiner mehr ein Auto leisten. Wir quersubventionieren ja auch den individuellen Verkehr.

Trierischer Volksfreund: Schauen wir mal konkret zu uns in die Region. Auf der Trierer Weststrecke sollten schon längst Nahverkehrszüge Richtung Luxemburg fahren. Die Züge dafür hat Luxemburg längst gekauft. Doch bis Ende nächsten Jahres tut sich auf der Strecke nichts. Ärgert sie das, dass Bahnprojekte in Deutschland immer viel zu lange brauchen, bis sie umgesetzt sind?

François Bausch: Die Umsetzung des Nahverkehrs auf der Weststrecke in Trier gestaltet sich sehr schleppend. Das ist sehr frustrierend.

Ich bewundere Deutschland ja für seine Bau und Ingenieurskunst. Doch diese Kunst, also das Können, wird nicht mehr eingesetzt für produktive Projekte. Ich habe den Eindruck, in Deutschland werden Projekte oft zerredet. Die Weststrecke sollte 2019 fertig sein, wenn es gut geht wird es nun 2024 oder 2025. Das sind sechs Jahre Verspätung. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Trierischer Volksfreund: Luxemburg ist ja beim grenzüberschreitenden Nahverkehr immer schon in Vorleistung getreten. Nur durch die staatliche Finanzierung Ihres Landes gibt es überhaupt einen grenzüberschreitenden Busverkehr, der täglich Tausende Pendler aus der Region transportiert. Ist das auf Dauer überhaupt leistbar?

François Bausch: Wir finanzieren gerne konkrete Projekte. Derzeit wird ja in Deutschland wieder einmal darüber diskutiert, dass Luxemburg die Lohnsteuer der Grenzgänger erstatten soll. Da sag ich: Lasst uns gemeinsame, grenzüberschreitende Projekte machen. Wir sind immer bereit, diese mitzufinanzieren.

Schließlich haben wir ja ein Interesse daran, dass die Menschen in Luxemburg arbeiten.

Unser Wirtschaftsstandort würde ja ansonsten leiden. Wir leben in einem Europa der Regionen. Unser Wunsch ist, dass wir grenzüberschreitend zusammenarbeiten. Auch in Bezug auf die Verkehrswende. Das läuft mir in Deutschland alles viel zu schleppend.

Trierischer Volksfreund: Ist das auch der Grund, warum sie eine Zugverbindung von Luxemburg über Metz nach Saarbrücken haben wollen? Gehen solche Projekte mit Frankreich schneller und einfacher?

François Bausch: Ja, das ist ein Grund dafür. Es gibt ja auch die Idee, von Saarbrücken aus eine neue Strecke nach Luxemburg zu bauen. Ich bin dafür sehr offen. Wenn ich aber sehe, wie lange darüber schon diskutiert wird, dann muss ich sagen: So viel Zeit haben wir nicht.

Luxemburg braucht einen guten Anschluss an das deutsche Fernverkehrsnetz, etwa in Mannheim. Das geht ganz gut über Saarbrücken.Weil die Strecke über Metz ins Saarland bereits existiert, ist es für uns viel einfacher, uns mit Frankreich abzustimmen, wie wir unsere Züge dort einsetzen können. Dann können wir eine bessere Verbindung bekommen als derzeit mit den Bussen. Ein Bus ersetzt aber niemals eine Zugverbindung.

Trierischer Volksfreund: Können Sie sich vorstellen, dass Luxemburg eine eigene Fernverkehrsverbindung nach Deutschland anbieten würde?

François Bausch: Wir machen das ja bereits auf unsere Initiative und mit unseren Zügen. Es gibt eine Verbindung von Luxemburg über Trier und Koblenz nach Köln und Düsseldorf. Die Fahrt dauert aber zu lange. Daher habe ich mit meinem Kollegen Volker Wis sing in Berlin und mit dem Chef der Deutschen Bahn, Richard Lutz, gesprochen. Wir sind stark interessiert daran, auf der neu gebauten, elektrifizierten Eifelstrecke Züge anzubieten Richtung Köln. Es wäre möglich, von Luxemburg aus über die Eifel in etwas mehr als zwei Stunden in Köln zu sein. Das wäre ein riesiger Gewinn für uns. Neben Mannheim ist Köln für uns ein wichtiger Knotenpunkt.

Wir hoffen, dass wir das realisieren können.

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